Geschrieben von Verena Handler-Kunze.
Verena hat uns als Abschiedsgeschenk diesen Artikel geschrieben, da sie nach Süddeutschland zieht, um dort die Geschäftsführung eines Online-Shops zu übernehmen.
Nach einem Jahr als HR-Managerin des agilen DreiKreis-Teams haben sich einige Aha-Momente angesammelt, mit denen ich in meiner Linientätigkeit zuvor wenig konfrontiert war.
Ein agiler Management-Approach und Diversität im Team sind Charakteristika, die heute im Personalmanagement als sehr erstrebenswert gelten und schnell als Allheilmittel erscheinen, wenn die Linie wieder einmal träge und unflexibel reagiert.
Allerdings tauchen mit ihnen andere Herausforderungen auf, von denen mir im letzten Jahr vor allem die folgenden 3 Learnings kritisch erschienen:
1. Keine Vermutungen! – besonders nicht im diversen Team
Im HR-Management und besonders in der Personalverwaltung verlocken einen die eigenen Denkschemata und wiederkehrenden Routine-Aufgaben schnell dazu, davon auszugehen, dass Prozesse und Fakten rund um Kommunikationskultur, Zeiterfassung, Krankenstand und Co. nicht nur einem selbst irgendwann geläufig sind, sondern auch den Mitarbeiter*innen.
Allerdings sind viele langjährig in Österreich Angestellte nur marginal über die arbeitsrechtlichen Gegebenheiten und ihre Rechte als Arbeitnehmer*innen informiert. Ganz zu schweigen von Mitarbeiter*innen, welche über DreiKreis zum ersten Mal in Österreich angestellt sind.
Bisweilen herrscht Verunsicherung darüber, in welchen Fällen der Unklarheit man besser nachhaken sollte, oder man traut sich aufgrund von Formulierungsnöten oder kulturellen Hemmungen nicht, genaue Sachverhalte zu hinterfragen.
Der administrative Tunnelblick lässt mich als HR-Manager*in schnell versucht sein, anzunehmen, dass alles klar ist, wenn die Zahlen stimmen und niemand Feedback gibt oder nachfragt. Hinzu kommt leider gelegentlich auch die allzu einfache Versuchung, allen Mitarbeiter*innen tendenziell die gleichen Bedürfnisse, Kapazitäten und Reaktionsschemata zuzuschreiben.
Oftmals stellt sich erst sehr viel später heraus, dass bestimmte Sachverhalte (z.B. Krankenstand im Urlaub) ganz anders abgelaufen sind als dokumentiert oder von mir verstanden.
Hier habe ich gelernt, dass es sinnvoll ist, nicht von oberflächlichen oder starren Richtlinien auszugehen, sondern den Kolleg*innen offen und wertungsfrei zu begegnen und lieber einmal zu viel nachzufragen. Um eine positive Fragekultur zuzulassen, ist es wichtig, auf allen Seiten aktive Kommunikation zu fördern. Zudem können Frage-und-Antwort-Runden helfen, die Mitarbeiter*innen für HR-Themen zu sensibilisieren und selbstbewusster zu machen.
2. Viel Flexibilität hilft nicht unbedingt viel
Wir bei DreiKreis haben uns, neben unserem Bestreben nach Diversität im Team, für ein flexibles Arbeitszeitmodell ohne Kernzeiten und mit Home Office-Option entschieden. So schaffen wir es, einerseits allen Mitarbeiter*innen möglichst hohe Freiheit im Arbeitsverhalten zu bieten und andererseits für unsere Kandidat*innen zeitlich optimal ansprechbar zu sein.
Dabei hat sich mir gezeigt, dass lokale und zeitliche Unabhängigkeit allerdings auch zu einer Zerrissenheit im Team führen kann, da fast nie das gesamte Team zu einer Zeit an einem Ort ist. Gerade im kleinen Team kann dies schnell zu einem Isolationsgefühl führen.
Eine best practice-Lösung für die Problematik dezentraler Teams gibt es nicht, was sich in der vielfältigen und anhaltenden Diskussion um die Thematik virtuellen und dezentralisierten Teammanagements zeigt.
Es kann in jedem Fall helfen, im flexiblen Arbeitszeitmodell ein Framework aus Struktur, Kommunikation und Dokumentation festzusetzen. So können fixe Deadlines und Kommunikationsprozesse gute Anhaltspunkte geben und helfen, gemeinsam und mit direkter Absprache, die Isolation einzelner Mitarbeiter zu verhindern.
DreiKreis hat sich jüngst entschieden, wöchentliche freiwillige Office-Vormittage zu implementieren. Dies schränkt die Flexibilität unserer Mitarbeiter*innen zwar wiederum etwas ein, allerdings zugunsten des Gemeinschaftsgefühls im Team.
3. Personalmanagement im Scrum-Umfeld ist anders
Unser agiler Arbeitsansatz bei DreiKreis fordert nicht nur eine alternative Koordination von Arbeitszeit und -ort, sondern ein generelles Umdenken in allen Abteilungen und Bereichen. Statt Positionen und strikten Prozessen sind Rollen und Workflows gefordert, die agilere Planungsläufe und schnelleres Umsetzen von Geplantem ermöglichen.
Als HR-Managerin arbeite ich innerhalb des Scrum-Teams als eigene Einheit mit eigenen Zielen und, de facto, an einem eigenen Produkt. Dies würde eine eigene agile HR-Agenda mit entsprechender Rollenaufteilung rechtfertigen.
Aufgrund der geringen Anzahl an (HR-)Mitarbeiter*innen ist eine eigene Scrum-Einheit jedoch noch nicht umsetzbar. Daher läuft das HR-Management derzeit als Service-Center noch sehr konservativ und liniengetreu mit und setzt ausschließlich außercurriculäre Projekte, wie die Entwicklung eines Bindungsprogramms für Mitarbeiter*innen, im iterativen Zyklus um. Ein echtes agiles HR-Management ist somit derzeit noch nicht im Einsatz.
Pläne für 2018
Für 2018 habe ich für das DreiKreis-HR-Management daher noch geplant, neben der Stärkung einer aktiven, offenen Kommunikationskultur den Standpunkt des HR-Managements im agilen Team noch konsequenter zu hinterfragen und zu entwickeln.
Denn Scrum bedeutet immer auch laufende Erneuerung und das Aufgeben eingefahrener Wege zugunsten neuer Chancen.
Verena hat die HR-Themen von DreiKreis aufgrund ihres Wegzugs nach Deutschland bereits an Co-Founderin Katharina van Zeller übergeben. Verena hat für uns unter anderem auch das Video-Tutorial über Gehaltsverhandlungen gemacht.